Junge Künstler am Werk


Bild: Junge Künstler am Werk

Die Jugendphilharmonie gab am 29.Mai 2022 in Korntal ein fulminantes Konzert

Schließt man in einem Konzert der Jugendphilharmonie die Augen, so wähnt man sich in einem der großen deutschen Konzertsäle, um einem der bedeutenden Kulturorchester beizuwohnen. Denn so strahlkräftig ist der Klang der Blechbläser in Verdis Ouvertüre zu „La forza del destino“, so filigran und stimmig das Zusammenspiel der hohen Streicher im „Elfentanz“ aus Smetanas „Moldau“, dass auch Berufsmusiker am Werk sein könnten. Waren sie aber nicht, denn die rund 60 Mitglieder der Jugendphilharmonie sind allesamt begabte Teenager, die noch zur Schule gehen und nun in der Korntaler Stadthalle eine fulminante Musiziereinlage zum Besten gaben.

 

War da was? Schemenhafte Erinnerungen an Konzerte mit Impfnachweis und Sicherheitsabstand? Unkenrufe, es würde Jahre dauern, bis das Publikum in klassische Konzerte zurückkehren würde? Muss lange her sein, denn der Saal war voll! Und die Zuhörer wurden nicht enttäuscht, als nach dem dreimaligen einleitenden Blechbläserruf die Streicher leise und atemlos das Schicksalsmotiv von Verdis Ouvertüre mit großer Spannung interpretierten. Rhythmisch akkurat gestalteten die Jungmusiker eine Atmosphäre innerer Zerrissenheit, die Holzbläser stimmten klagend eine berührende Melodie an, die im Verlauf der Oper in Leonoras Gebet wiederkehren wird. Highlight des Stückes ist das innige Motiv, das zunächst die Streicher pianissimo vorstellen – und was für ein strahlendes Pianissimo war das! - und das später vom ganzen Orchester fortissimo aufgenommen wird: hier waren junge Künstler am Werk!

 

Eine gute Idee war die Einbeziehung von Solisten ins Programm. Der jungen Cellistin Julia Ruan gelang in Bruchs „Kol Nidrei“ eine hoch romantische Stimmung mit melancholischem Unterton besonders gut, die Saxophonistin Jette Marie Schwarz beeindruckte mit virtuosen Passagen in Milhauds „Scaramouche“, das in der Interpretation für Saxophon und Orchester noch fesselnder klang als in der Originalfassung für zwei Klaviere, und die Cellistin Zoe Münsberg präsentierte in Saint-Saens „Allegro appasionato“ atemberaubende Läufe. Die drei jungen Solistinnen erhielten zu Recht begeisterten Applaus für ihre bravourösen Leistungen.

 

In Smetanas „Moldau“ schuf Dirigent Dietrich Schöller-Manno ein poetisches Tongemälde. Knisternde Spannung entstand, als die Flöten mit hervorragender Intonation die ersten Takte der Moldauquelle anstimmten, unvermittelt fand man sich in die Bauernhochzeit hineinkatapultiert, stand förmlich am Ufer der Stromschnellen, wo der Fluss mit vollen Akkorden in die Tiefe saust, von den Blechbläsern sauber intoniert, um sich schließlich in einer breit ausufernden Flusslandschaft wiederzufinden: „die Moldau strömt breit dahin“ heißt es in der Partitur - die Jugendphilharmonie auch!

 

Große Homogenität auch in Bizets erster „Arlesienne-Suite“, hier schienen besonders die starken Stimmungskontraste gelungen. Und Musizierfreude pur war dann schließlich in Arturo Márquez' Danzon Nr. 2 zu verzeichnen. Das nicht nur rhythmisch komplexe Stück gelang mitreißend und brilliant und beendete ein Programm von besonderem Charme und Verve. Dietrich Schöller-Manno führte das Orchester mit viel Geschick und Können über die schwierigsten Klippen. Für den starken Schlussapplaus und Blumen bedankte sich das Orchester mit dem „Blumenwalzer“ von Tschaikowsky und einem Satz aus „Carmen“.

Bernhard Mussel